"Wenn der Himmel nicht mehr mit macht"

Bei dieser Überschrift könnte man derzeit auch eine mittelfristige Wettervorhersage vermuten, aber nein, es geht um Fronleichnam und damit zuhängende Tradition. Zumindest um einen Teil davon, die in unseren katholischen Breitengraden noch sehr verbreitet ist.


(Foto: W. Amann, Fronleichnam 2017)

Bei der (normalerweise jährlich stattfindenden) Prozession trägt ein Geistlicher den Leib Christi in Form der gewandelten Hostie durch Straßen und Felder. Diese Hostie befindet sich in einer Monstranz, einem kunstvoll verzierten liturgischen Gefäß, das häufig überdacht ist von einem Stoffbaldachin, der von einigen Gemeindemitgliedern getragen wird. Der Baldachin wird oft auch "Tragehimmel" genannt. Dazu gerne noch einen kleinen Exkurs in die Geschichte.

Ursprünglich wurde wohl in der Stadt Bagdad (die im Mittelalter Baldac hieß) ein golddurchwirkter Seidenstoff hergestellt, der die Bezeichnung Baldachin erhielt. Aus diesem Stoff wurde später der Prunkhimmel über einem Grab, Heiligenfiguren, einem Thron, einem Altar, einem Taufbecken etc. hergestellt. Baldachine sind häufig purpurrot und symbolisieren den Himmel. Der Himmel hat nach mythologischer Vorstellung die Farbe Rot, wobei man dabei an die roten Sonnen der ägyptischen Grabkunst, an die rote Sonne in der japanischen Flagge und an die rote Ausmalung von Gewölben in mittelalterlichen Bildern denkt.

Ein Baldachin kann aber auch ein tragbares Schutz- und Ehrendach sein. So wird etwa bei Prozessionen das Kreuz oder die Monstranz mit dem Allerheiligsten unter einem Baldachin vom Priester getragen, wobei dieser mit vier Stangen von vier Personen getragen wird. Das Innere des Baldachins, der Himmel, kann rot oder golden sein. Der Baldachin ist ein Abbild für die Einheit von Himmel und Erde, eine Weltachse, die Unterwelt, Erde und Himmel miteinander verbindet. Alles, was sich unter dem Baldachin befindet, ist in die kosmische und göttliche Ordnung eingefügt, was Ewigkeit und Gerechtigkeit besagt.
(nach Hawel Peter: Lexikon zur Kunst & Geschichte abendländischer Kultur, München 2005)

Orientalische Herrscher erschienen also in früheren Zeiten als Zeichen der Würde unter einem von Dienern getragenen Baldachin, der einerseits als Sonnenschutz diente, andererseits aber auch zur Betonung ihrer Würde. Als Geschenke gelangten Baldachine dann im frühen Mittelalter in das Abendland. Später wurden sie durch die Kreuzzüge und den Handel orientalischer Staaten mit Venedig in Europa weiter verbreitet. Seit dem 14. Jahrhundert hat dieser Himmel in der römisch-katholischen Kirche Einzug gehalten.

Und solch ein Himmel kann dann irgendwann auch im Zustand nachlassen, sodass er nicht mehr in der Prozession eingesetzt werden kann. Das ist nun bei unserem Brochenzeller Exemplar eingetreten und der Kirchengemeinderat hat deshalb begonnen, sich mit den Auswirkungen auseinanderzusetzen. Das Alter unseres Baldachins dürfte über 100 Jahre ausweisen, eine vollständige Restauration würde im fünfstelligen Bereich kosten.

Nun findet dieses Jahr die Fronleichnamsfeier der Seelsorgeeinheit in Brochenzell statt, jedoch verzichten wir (aufgrund der Pandemie) auf eine Prozession. Der Himmel soll aber an diesem Tag einen würdigen Platz in der Kirche erhalten und wenigstens so noch einmal zur Geltung kommen. Für alle weiteren zukunftsweisenden Entscheidungen bleibt dann ausreichend Zeit. Vielleicht haben Sie, liebe Gemeindemitglieder, ja auch Anregungen und Ideen, wie bzw. in welcher Form der wertvoll bestickte Stoff erhalten bleiben könnte oder sich auch ganz neue zeitgemäße Himmels-Kombinationen für unsere Kirchengemeinde schaffen ließen.

Auf alle Fälle laden wir Sie alle herzlich ein, sich "himmelwärts" Gedanken zu machen. Ein schönes Fronleichnamsfest 2021 und gesunde Zeiten wünscht Ihnen

für den Kirchengemeinderat St. Jakobus Brochenzell
Norbert Hensel (Gewählter Vorsitzender)